Diesen Artikel habe ich für das englische FUTUREOFWORKHUB geschrieben. Er ist in der englischen Originalversion auf dem futureofworkhub.info veröffentlicht. Der Link folgt am Ende des Artikels.
Seit einigen Jahren hat die Digitale Revolution unsere Märkte und Businessmodelle stark verändert. Die Globalisierung hat dazu beigetragen, dass sich selbst kleinere Unternehmen durch das Internet beliebig vernetzen können. Auf der einen Seite sind die Prozesse ständig auf der Beschleunigungsspur, auf der anderen Seite wird die permanent wachsende Datenmenge nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Menschen zunehmend zum Problem.
Disruption
Die digitale Transformation ermöglicht quasi in Echtzeit effizienteren Informationsaustausch und Kollaboration über beliebige Distanzen und Zeitzonen. Im Produktionsbereich hat sich das Internet der Dinge (IoT) zuerst durchgesetzt und Unternehmen, die über die erforderlichen technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verfügen revolutioniert. Wertschöpfungsstrukturen und Geschäftsmodelle haben sich in kürzester Zeit verändert. Das neue Angstwort im Zusammenhang mit der digitalen Transformation heißt „Disruption“.
Teils langsam, und eigentlich auch vorhersehbar, aber auch unmittelbar, ohne Vorankündigung wurden alte „Industriedampfer“ von kleinen innovativen „Schnellbooten“ in Form von Startups aus dem Markt geworfen. Ganze Branchen haben sich in kurzer Zeit verändert, oder sind völlig verschwunden, weil sie einfach nicht mehr benötigt werden.
Die VUCA Welt
Wir erkennen bei der Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa zunehmend schwierige Rahmenbedingungen für die Unternehmensführung und sprechen in diesem Zusammenhang von der „VUCA-Welt“. VUCA ist ein Akronym für die englischen Begriffe volatility, uncertainty, complexity und ambiguity.
Als wäre das alles noch nicht herausfordernd genug, haben die Menschen weltweit, seit mehr als einem Jahr auch noch mit der Covid-Pandemie zu kämpfen, die der Digitalisierung durch die zwangsweise flächendeckende Einführung von mobilem Arbeiten einen Turbo zugeschaltet hat. Unternehmen müssen sich also entsprechend strategisch aufstellen, um die latenten Bedrohungen durch den digitalen Wandel in der VUCA-Welt bewältigen zu können. Den „Changeprozess“ mit genau definiertem Prozessplan und Enddatum gibt es nicht mehr. Vielmehr ist heute alles in ständiger Veränderung ohne feste Grenzen. Change wird damit zum Teil der Kultur. Damit die Akteure im Unternehmen damit umgehen können bedarf es einer neuen inneren Haltung.
Bisher haben sich bereits Organisationsveränderungen von der historisch gewachsenen hierarchischen Organisation, mit festen Abteilungen, hin zu offener Netzwerkstruktur unter Nutzung der technischen Möglichkeiten etabliert. Doch wo Licht ist, ist bekanntermaßen auch Schatten.
Damit die, oft über Unternehmensgrenzen hinweggehenden, in Echtzeit vernetzten Systeme stabil sind bedarf es ganz neuer Krisen-prophylaxe und -bekämpfung. In der alten Organisation waren Probleme und Gefahren relativ gut zu orten und zu definieren. Doch je offener und interdisziplinärer die Prozesse gestaltet werden, desto schwerer wird es Gefahren zu erkennen und sehr schnell entsprechende Lösungen zu finden. Dies kann zum Beispiel daran liegen, daß unternehmensfremde Akteure nur unzureichend in die Organisation und Kommunikation eingebunden sind, oder interne interdisziplinäre Prozesse noch Schwachstellen haben.
Resilienz
Wenn Sie also Ihr Unternehmen für die Zukunft fit machen wollen, dann geht es vor allem darum „Resilienz“ zu entwickeln.
Was verstehen wir unter Resilienz?
Der Begriff Resilienz kommt ursprünglich aus der Psychologie und beschreibt die Widerstandskraft einer Person, also die Fähigkeit mit Veränderungen umzugehen und auch schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen. Laut dem „Deloitte Global Resilience Report 2021“ sehen 54% der befragten Manager weltweit „Flexibilität & Anpassungsfähigkeit“ als wichtigste Eigenschaft der Belegschaft für die Zukunft des Unternehmens.
Gerade die aktuelle Pandemie Situation hat sehr schnell gezeigt wo die Probleme der mobilen Arbeit liegen. Vor allem die psychische Belastung der Menschen, die teils isoliert im Homeoffice arbeiten, ist deutlich sichtbar geworden. Resiliente Mitarbeiter sind in der Lage flexibel auf die schnell wechselnden Arbeits- und Lebensbedingungen zu reagieren. Sie passen eigenverantwortlich ihre Arbeitsweisen und Prozesse inklusive der Kommunikationswege an.
Das lässt sich auch auf das gesamte Unternehmen übertragen. Im wirtschaftlichen Kontext sprechen wir von der „organisationalen Resilienz“. Das ist die Fähigkeit eines Unternehmens auf Veränderungen zu reagieren und sich anzupassen. Darüber hinaus kann es zukünftige Bedrohungen und Chancen antizipieren und eigene Schwachstellen erkennen.
Es geht also bei der Herstellung der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens um zwei Faktoren gleichzeitig:
- die persönliche Resilienz der Mitarbeiter
- die organisationale Resilienz des Unternehmens
Sind die Mitarbeiter nicht resilient, dann kann es folgerichtig auch das Unternehmen nicht sein, da die Mitarbeiter mit ihrer Einstellung und ihren Fähigkeiten zukünftig noch viel stärker als in den historischen Organisationsformen den Unternehmenserfolg und die Überlebensfähigkeit begründen. Die persönliche Fähigkeit Veränderungen und Bedrohungen als Chance zu sehen, stärkt durch die wachsende Bedeutung kollaborativer und interdisziplinärer Arbeitsformen auch das jeweilige Team. Die Einführung agiler Methoden ist einer der wichtigsten Bausteine in der strategischen Organisationsentwicklung für die Zukunftssicherung des Unternehmens.
Agile Methoden
Aus meiner Erfahrung ist es wichtig, dass die agilen Methoden oder deren Bausteine, die genutzt werden sollen zum Unternehmen passen. Der Einsatz von Scrum wird den meisten aus der IT bekannt sein. Das tagesbasierende Arbeiten mit dem Kundenvorteil im Mittelpunkt aller Überlegungen eignet sich aber auch sehr gut für andere Projekte außerhalb der IT.
In letzter Zeit ist auch das eigentlich aus der Produktentwicklung stammende Design Thinking in vielen Unternehmen als agile Methode eingeführt worden. Der Vorteil der interdisziplinären Zusammenarbeit mit möglichst früher Entwicklung von Prototypen des Produktes oder der Dienstleistung liegt vor allem in der Kundenfokussierung. Der Kunde wird in Form einer sogenannten „Persona“ detailliert beschrieben und individuell definiert. Wesentlich beim Design Thinking ist, dass zunächst das Problem erkannt werden muss. Durch mehrere Iterationsschleifen kommt das Team dann zur Lösung.
Für kleinere Projekte eignet sich auch Kanban als agile Methode, wenn die Komplexität nicht zu hoch ist. In der Praxis findet man auch Mischformen aus Scrum und Kanban die individuell auf das Unternehmen oder die Projekte abgestimmt werden.
Betriebliches Gesundheits-Management (BGM)
Es macht in diesem Kontext vor allem Sinn sowohl die Gesundheit der Person als auch die Gesundheit des Unternehmens zu erhalten und zu fördern. Die Bedeutung des „Betrieblichen Gesundheits-Managements“ (BGM) ist entsprechend neu und stärker zu bewerten. Für die persönliche Resilienz der Person ist es essenziell ein Kohärenzgefühl zu erzeugen. Das bedeutet eine Grundüberzeugung zu erlangen, dass das Leben sinnvoll ist und man es erfolgreich meistern kann. Das ist die Basis um als Mensch in diesen und zukünftigen Wirtschaftsszenarien bestehen zu können.
Das betrifft alle Personen im Unternehmen! Also sowohl die Mitarbeiter als auch die Führungskräfte, denn das Rollenverständnis des Managers ändert sich in agilen Organisationsformen komplett und muss erst erlernt werden.
Das erfolgreiche Erleben der eigenen Widerstandsressourcen basierend auf diesem Kohärenzgefühl wird geprägt durch:
- die Konsistenz und Verstehbarkeit der Arbeit basierend auf offener und transparenter Kommunikation und Unternehmensführung
- die Balance zwischen hohen und niedrigen Arbeitsbelastungen basierend auf arbeitsbezogenen und sozialen Ressourcen
- partizipativer Führung mit Sinnhaftigkeit der Arbeitsanforderungen und gemeinsamer Zielverfolgung

Infografik Resilienz : Headroom Consult Jörg Bakschas
Unternehmenskultur
Stellen Sie sich vor die Unternehmenskultur funktioniert wie ein Leuchtturm. Sie gibt dem Mitarbeiter nicht nur Orientierung, sondern stärkt auch das Zusammengehörigkeitsgefühl. Dies ist besonders wichtig, wenn die Organisation räumlich zerstreut ist und somit die Bindung an die Marke und damit an das Unternehmen erhalten werden soll. Die Arbeitsbedingungen haben sich völlig verändert, aber es wird vielfach noch aus dem alten Mindset heraus gehandelt. Eine Unternehmenskultur, die nur in einer Hochglanzbroschüre besteht, wird von den Menschen als reines Lippenbekenntnis gesehen. Versprechen die nicht gehalten werden resultieren in einem Gefühl der Sinnlosigkeit und wirken somit der Resilienzbildung entgegen.
Zwei wichtige Faktoren für die Entwicklung einer zukunftsgerichteten Firmenkultur möchte ich hier kurz beschreiben.
Vertrauenskultur
Das wichtigste ist die Vertrauenskultur. Der Paradigmenwechsel in der Entwicklung der zukünftigen Arbeit ist der Übergang von einer Kontrolle zum Vertrauen.
Das muss selbstverständlich von allen Beteiligten getragen und gelebt werden. Die Anforderungen für Vertrauensarbeit betreffen nicht nur die Führungskräfte, sondern auch jeden einzelnen Mitarbeiter. Manager müssen vielfach erst noch lernen vernetzte Teams, auch virtuell, zu führen. Auf der Seite der Mitarbeiter wird dies durch die neuen agilen Arbeitsformen unterstützt, da die Teams sehr schnell und oft auch genauer feststellen können welche Personen eine gute Performance bringen und welche weniger. Für den eventuell auch räumlich getrennten Vorgesetzten ist dies schwieriger. Für die Zukunft bietet sich an über die Einführung von 360Grad Feedback Methoden nachzudenken, da diese sich gerade für vernetze, räumlich getrennte und virtuelle Teams besonders gut eignen.
Die neue Fehlerkultur
Der zweite Aspekt ist die unbedingte Notwendigkeit einer neuen Fehlerkultur. Diese neue Fehlerverständnis muss vom Management vorgelebt werden. Angesichts des hohen Drucks durch die schnellen Veränderungen in den Märkten werden Fehler allgemein als Zeichen der Schwäche oder Unzulänglichkeit gesehen. Je agiler gearbeitet wird und je offener Prozesse und Organisationsstrukturen in Zukunft gestaltet werden müssen, umso schwerer wird es Schwachstellen im Unternehmen selbst zu erkennen. Fehler sollten als Informationsquelle dienen, um Schwachstellen aufzudecken. Basierend auf einer gelebten Fehlerkultur im Unternehmen werden mit realen Fehlern bei den Beschäftigten Lernprozesse ausgelöst. Sie werden damit in die Lage versetzt auch zukünftige Bedrohungen und unerwartete Krisen besser zu antizipieren.
Agiles Leadership
Der agile Manger ist in einer für viele Führungskräfte ungewohnten neuen Rolle. Er ist für die Strategieentwicklung und die individuelle Entwicklung der Mitarbeiter verantwortlich. Er muss die Rahmenbedingungen herstellen, die es dem Team ermöglichen zusammen mit den Ressourcen und bestehenden Richtlinien die agilen Projekte umzusetzen. Die alte Kontrollkultur muss für das Gelingen agiler Organisationen in eine Vertrauenskultur gewandelt werden.
Daher gilt für den agilen Leader:
- Er verfügt über ein Mindset was ihn loslassen lässt
- Er arbeitet partizipativ und partnerschaftlich mit seinem Team
- Er vertraut seinen Mitarbeitern und hat ein positives Menschenbild
- Er sieht seine Mitarbeiter an erster Stelle
- Er kommuniziert transparent und auf Augenhöhe
- Er gibt regelmäßiges Feedback und fordert es selbst ein (z.B. 360°)
- Er führt seine Mitarbeiter situativ
Die weiteren Strategischen Felder zur Unternehmensentwicklung, wie Produktion, technologische Sicherheit, Innovationsmanagement, Finanzstruktur etc. sind nicht Teil dieses Artikels, aber es ist wichtig dass alle Unternehmensbereiche Teil der interdisziplinären agilen Teams sind und ihre Sicht mit einbringen.
Die Angst vor Neuem ist menschlich, selbst wenn es sich um zu erwartende Verbesserungen handelt, begegnen sie den Veränderungen zunächst mit Ablehnung.
Eine auf Resilienz ausgerichtete Organisation gibt den Mitarbeitern und Managern das nötige Selbstwertgefühl und den Optimismus, um das Unternehmen langfristig auf Erfolgskurs zu halten. Unternehmen entwickeln sich somit dauerhaft zur lernenden Organisation.
Jörg Bakschas
April 2021
Hier geht es zum englischen Artikel :
https://www.futureofworkhub.info/comment/2021/5/18/how-to-make-your-company-fit-for-the-future-1
INFOGRAFIK Resilience Englisch:
